Mai 2019 Lesezeit 4 Minuten


Darmbakterien spielen bei der Krebsbekämpfung eine Rolle

Der Einsatz spezifischer Moleküle hat die Therapie bestimmter Krebserkrankungen in den vergangenen Jahren verbessert. Diese sogenannten Checkpoint-Inhibitoren sind Antikörper, die das Tumorwachstum bekämpfen können. Doch nicht bei jedem Patienten wirkt diese neue Behandlungsform. Die möglichen Gründe für einen Therapieerfolg oder ein Therapieversagen sehen Forscher nicht nur in den individuellen Erbanlagen eines Menschen, sondern auch in der Zusammensetzung der jeweiligen Darmflora.

Unsere Darmflora wird von unzähligen verschiedenen Bakterienstämmen gebildet. Ihr Einfluss auf unsere Gesundheit scheint dabei weit größer als noch vor wenigen Jahren vermutet.

Personalisierte Medizin in der Onkologie

Menschen sprechen unterschiedlich auf Therapien an und auch Medikamente werden von jedem Körper individuell verarbeitet. Der Grund dafür ist nach Meinung von Forschern, dass jeder Mensch eine eigene genetische Grundausstattung besitzt. Vor diesem Hintergrund kommt der personalisierten Medizin eine immer größere Bedeutung bei. Damit sind Behandlungsansätze gemeint, die individuell auf den Patienten und seine körperlichen Merkmale abgestimmt sind. Aktuell ist die personalisierte Medizin in der Onkologie besonders bedeutsam. Zum Beispiel kann bei bestimmten Hautkrebs-Arten bereits vor der Behandlung mit Checkpoint-Inhibitoren eingeschätzt werden, ob die Therapie anspricht. Dazu wird die Aktivität spezifischer Proteine und Enzyme des jeweiligen Patienten ermittelt. Checkpoints sind Moleküle, die die Abwehrreaktion des Körpers regulieren. Mithilfe dieses Mechanismus greift das Immunsystem beispielsweise seine eigenen Zellen nicht an. Tumore verfügen über die Eigenschaft, die Steuerung dieser molekularen Checkpoints zu übernehmen und auf diese Weise vom Immunsystem unerkannt zu bleiben. Werden über neuartige Medikamente sogenannte Immun-Checkpoint-Inhibitoren verabreicht, können diese Checkpoints  die Tumorzelle angreifen.

Biomarker lassen Vorhersage zu 

Weil die Forschung davon ausgeht, dass das jeweilige Genom Einfluss auf die Wirkung von Medikamenten hat, werden bei komplexen Therapieansätzen außerdem verschiedene molekularbiologische Gegebenheiten mit Biomarkern ermittelt. Diese Biomarker sind in diesem Zusammenhang von Bedeutung, weil sie die jeweilige Tumorzelle charakterisieren und über deren Wachstumspotenzial Aufschluss geben können. Mithilfe dieser Biomarker lässt sich dann eine Vorhersage über einen möglichen Behandlungserfolg treffen. Bei einigen Krebserkrankungen wie etwa Brustkrebs, Darmkrebs oder auch Lungenkrebs haben die Forscher bereits entsprechende Biomarker entdeckt. Diese können mit speziellen Therapien gezielt bekämpft werden. In der Krebstherapie ist das ein großer Schritt, weil nicht mehr ausschließlich die klassische Chemotherapie zum Einsatz kommen muss, die sich im Grunde gegen alle schnell wachsenden Zellen richten.

Bakterien im Darm verlangsamen Krebswachstum

In Tierversuchen haben Wissenschaftler nun im Darm von Mäusen Bakterien entdeckt und vermuten, dass diese Bakterien im Zusammenspiel mit den Checkpoint-Inhibitoren möglicherweise eine wesentliche Rolle bei der Tumorbekämpfung spielen, weil sie das Immunsystem steuern können. Die Darmflora besteht aus Millionen von Bakterien, die das sogenannte Mikrobiom bilden. Dieses ist bei jedem Menschen unterschiedlich zusammengesetzt. Die elf Bakterienarten, die die Forscher entdeckt haben, verlangsamen offenbar das Wachstum bestimmter Tumorzellen. Dabei soll es sich um zwei Stämme aus der Gattung der Lactobazillen handeln.

Wirksamkeit abhängig von der Faltung bestimmter Proteine

Allerdings ist die Wirksamkeit neuer Therapiemöglichkeiten offenbar zusätzlich davon abhängig, wie stark die Faltung eines bestimmten Proteins im Körper auf dem sogenannten zellulären Signalweg reguliert wird (URP-Mechanismus). Ist dieser Mechanismus reduziert, verbessert sich offenbar die Wirksamkeit der Therapie, wie die Versuche an Mäusen außerdem gezeigt hätten. Auch der Einsatz von Checkpoint-Inhibitoren an Zellmaterial von Patienten, die an einem metastasierendem Melanom erkrankt sind, zeigte, dass die Therapie umso besser anschlägt, je geringer der URP-Mechanismus ist. Bei einem gleichzeitigen Einsatz von Antibiotika blieb jegliche Immunantwort aus, ein weiterer Hinweis für die Forscher, dass die Darmflora für eine möglicherweise erfolgsversprechende Checkpoint-Therapie intakt sein muss. In weiteren Forschungen wollen die Wissenschaftler nun Stoffwechselprodukte der Bakterien ermitteln, die das Krebswachstum verlangsamen und nach Wegen suchen, wie diese im Körper des Patienten angereichert werden können.

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