Einen Pflegegrad 4 und die damit in Verbindung stehenden Leistungen erhalten Personen, deren Selbstständigkeit schwerstens beeinträchtigt ist. Dafür müssen die Versicherten bei der Pflegekasse einen Antrag stellen.
Anschließend erfolgt die Bewertung der Situation durch einen Gutachter von MEDICPROOF oder des MDK (bzw. seit dem Jahr 2019 MD). Mit Hilfe eines Punktesystems wird der Betroffene dann dementsprechend eingestuft, wobei die Punktezahl bei einem Pflegegrad 4 bei 70 und unter 90 liegen muss.
Pflegegrad 4 und die Voraussetzungen dafür
Wer einen Pflegegrad 4 beantragen möchte, muss unter einer "schwersten Beeinträchtigung der Selbständigkeit" leiden und bei der Begutachtung eine Punkteanzahl von 70 und unter 90 erreichen. Die Pflegebegutachtung erfolgt dabei nach den folgenden Kriterien:
- Mobilität: Kann sich der Begutachtete selbständig fortbewegen bzw. alleine aufstehen und seine Körperhaltung verändern?
- Kommunikative und kognitive Fähigkeiten: Ist es dem Antragsteller möglich, sich zeitlich und örtlich zu orientieren? Kann er Gespräche führen und selbständige Entscheidungen treffen?
- Psychische Probleme und Verhaltensweisen: Benötigt der Antragsteller Hilfe aufgrund psychischer Probleme? Treten Wahnvorstellungen oder nächtliche Unruhe auf?
- Selbstversorgung: Wie selbständig ist der Versicherte im Hinblick auf die tägliche Pflege? Kann er noch selbständig essen und trinken?
- Umgang und Bewältigung von Anforderungen in Bezug auf Krankheiten bzw. Therapien: Welche Hilfe ist bei Therapien bzw. Erkrankungen notwendig?
- Soziale Kontakte und Alltagsleben: Ist es dem Begutachteten möglich, seinen Tagesablauf noch selbständig zu planen bzw. pflegt er noch soziale Kontakte?
Für jedes dieser sechs Module werden vom Gutachter Punkte vergeben, wodurch sich dann eine Gesamtpunkteanzahl ergibt und der entsprechende Pflegegrad zugewiesen werden kann.
Es empfiehlt sich auch, vor einer Begutachtung eine Pflegetagebuch zu führen, in dem die Hilfe- und Pflegeleistungen protokolliert werden. Ein Pflegetagebuch kann auch dem Gutachter helfen, den entsprechenden Pflegegrad festzustellen.
Pflegegrad 4: Leistungen und Geld
Da die Selbständigkeit bei einem Pflegegrad 4 schon sehr stark eingeschränkt ist, stehen den Betroffenen auch entsprechend viele Leistungen zu. Dazu zählen:
Pflegegeld: 728 Euro pro Monat
Pflegesachleistung: 1.693 Euro pro Monat
Tages- bzw. Nachtpflege: 1.612 Euro pro Monat
Kurzzeitpflege: 1.774 Euro pro Jahr
Verhinderungspflege: 1.612 Euro pro Jahr
Vollstationäre Pflege: 1.775 Euro pro Monat
Betreuungs- bzw. Entlastungsleistungen: 125 Euro pro Monat
Pflegehilfsmittel: bis zu 40 Euro pro Monat
Hausnotruf: 25,50 Euro pro Monat
Wohnraumanpassung: 4.000 Euro als Gesamtmaßnahme
Wohngruppenzuschuss: 214 Euro pro Monat
Pflegegrad 4 und Pflegegeld
Werden Pflegebedürftige im eigenen zuhause durch Angehörige bzw. Freunde versorgt, so steht ihnen ein Pflegegeld in der Höhe von 728 Euro pro Monat zur Verfügung.
Pflegegrad 4 und Pflegesachleistungen
Sollten Pflegebedürftige zuhause von einem Pflegedienst versorgt werden, so erhalten sie bei einem Pflegegrad 4 Sachleistungen für Hilfe, Betreuung und Pflege in Höhe von insgesamt 1.693 Euro pro Monat.
Werden diese Pflegesachleistungen nicht vollständig ausgeschöpft, so kann man davon bis zu 40 Prozent auch für andere Entlastungs- und Betreuungsleistungen verwenden, was auch als Umwandlungsanspruch bezeichnet wird.
Pflegegrad 4: Kombination aus Sach- und Geldleistung
Werden die Betroffenen sowohl durch Angehörige als auch durch einen Pflegedienst versorgt, so besteht die Möglichkeit einer sogenannten Kombinationsleistung.
Das Pflegegeld wird den Pflegebedürftigen dann allerdings nicht mehr vollständig ausbezahlt, sondern sie erhalten nur noch ein sogenanntes "anteiliges Pflegegeld", wobei sich der Anspruch darauf um den Prozentsatz der Sachleistungen, die ausgeschöpft wurden, verringert.
Pflegegrad 4: Tages- bzw. Nachtpflege
Für die Tages- bzw. Nachtpflege bekommen die Betroffenen bei einem Pflegegrad 4 1.612 Euro pro Monat.
Pflegegrad 4 und Kurzzeitpflege
Benötigen Pflegebedürftige beispielsweise nach einem Aufenthalt im Krankenhaus eine Kurzzeitpflege, so stehen ihnen für bis zu 28 Tage jährlich maximal 1.774 Euro zu.
Wird die Verhinderungspflege im laufenden Jahr nicht in Anspruch genommen, so kann für die Kurzzeitpflege ein Zuschuss von bis zu 3.386 Euro für einen Zeitraum von bis zu acht Wochen beansprucht werden.
Außerdem wird den Betroffenen während der Kurzzeitpflege auch die Hälfte des monatlichen Pflegegeldes ausbezahlt.
Pflegegrad 4 und Verhinderungspflege
Sollten pflegende Angehörige Urlaub benötigen oder selbst erkranken, so kann die sogenannte Verhinderungspflege genutzt werden. Diese beträgt bei Pflegegrad 4 bis zu 1.612 Euro für maximal vier Wochen pro Jahr.
Wird die Kurzzeitpflege von den Versicherten im laufenden Jahr nicht in Anspruch genommen, so erhalten sie eine jährliche Verhinderungspflege von maximal 2.418 Euro für einen Zeitraum von bis zu sechs Wochen. Außerdem steht ihnen in dieser Zeit auch die Hälfte des Pflegegeldes zu.
Pflegegrad 4 und Entlastungsbetrag
Hilfsbedürftige erhalten bei einem Pflegegrad 4 einen monatlichen Entlastungsbetrag von 125 Euro für Entlastungs- und Betreuungsleistungen.
Dieser Betrag kann beispielsweise für eine Betreuungsgruppe aufgewendet werden, aber auch für Leistungen der Kurzzeitpflege bzw. Tages- oder Nachtpflege.
Pflegegrad 4 und weitere Leistungen bei einer häuslichen Pflege
Personen mit einem Pflegegrad 4 haben darüber hinaus auch Anspruch auf medizinische Hilfsmittel bzw. Pflegehilfsmittel. Für bestimmte Hilfsmittel (z.B. Desinfektionsmittel) erhalten sie pro Monat bis zu 40 Euro, für ein Hausnotrufsystem stehen ihnen pro Monat 25,50 Euro zu.
Dieser Betrag gilt für alle Pflegehilfsmittel, die im sogenannten Hilfsmittelverzeichnis zu finden sind.
Pflegegrad 4 und Zuschuss für Wohnraumanpassung
Muss der Wohnraum für Personen mit einem Pflegegrad 4 altersgerecht umgebaut werden, so können sie von der Pflegekasse einen einmaligen Gesamtzuschuss von maximal 4.000 Euro erhalten.
Zu den Maßnahmen der Wohnraumanpassung zählen beispielsweise ein barrierefreier Badumbau oder der Einbau von einem Treppenlift. Sind weitere Maßnahmen durch eine Verschlechterung des Hilfebedarfs erforderlich, so kann der Zuschuss auch erneut gewährt werden.
Pflegegrad 4: Pflegekurse für Angehörige
Seit dem Jahr 2017 können ehrenamtliche Helfer bzw. Angehörige auch Pflegekurse besuchen, in denen man lernt, wie die Betroffenen richtig versorgt und gepflegt werden. Das Thema wird dabei der Pflegesituation individuell angepasst.
Pflegegrad 4: Förderung von Wohngruppen
Sollten Hilfsbedürftige in einer ambulant betreuten Wohngruppe oder einer Wohngemeinschaft leben, so können maximal vier Bewohner eine Förderung in Höhe von 4.000 Euro für einen altersgerechten Wohnraumumbau erhalten.
Zusätzlich dazu haben die Bewohner auch Anspruch auf einen Gründungszuschuss in Höhe von 2.500 Euro bzw. auf einen Zuschuss für eine Organisationskraft in Höhe von 214 Euro pro Person.
Pflegegrad 4 und Beratungsbesuche
Die Pflegekasse übernimmt bei einem Pflegegrad 4 auch die Beratungsbesuche durch eine geschulte Pflegekraft.
Pflegegrad 4 und stationäre Pflege
Müssen die Pflegebedürftigen in einem Pflegeheim untergebracht werden, so stehen ihnen 1.775 Euro pro Monat für die stationäre Pflege zu. Damit sind die Pflegeheimkosten allerdings noch nicht abgedeckt, da auch sogenannte "einrichtungseinheitliche Eigenanteile" anfallen.
Diese Anteile sind vom Pflegegrad unabhängig, Unterschiede bestehen aber zwischen den einzelnen Pflegeheimen. Zum pflegebedingten Eigenanteil kommen dann auch noch die Kosten für anteilige Investitionen, Verpflegung und Unterkunft dazu.
Was versteht man unter einem "einrichtungseinheitlichen Eigenanteil"?
Der Terminus "einrichtungseinheitlicher Eigenanteil" wird sehr häufig falsch verstanden, denn mit ihm wird nicht der Eigenanteil des Bewohners, den er pro Monat zu entrichten hat, verstanden.
Vielmehr bezeichnet man damit die pflegebedingten Kosten, die für den Bewohner entstehen, nachdem die Kassenleistungen abgezogen wurden. Alle anderen Kosten wie zum Beispiel Investitionen, Verpflegung und Unterkunft berechnet man gesondert und diese können daher auch für jeden Bewohner unterschiedlich ausfallen.
Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn die Zimmer in einem Pflegeheim nicht alle gleich groß sind, wodurch sich die Kosten für die Unterkunft dann auch anders gestalten.
Pflegegrad 4: Ein Fallbeispiel
Der 83-jährige Herr Müller hat vor 1,5 Jahren einen Schlaganfall erlitten, von dem er sich nie vollständig erholen konnte. Seine rechte Körperseite ist gelähmt, außerdem bereitet ihm das Sprechen große Schwierigkeiten.
Die Wohnung, in der er lebt, wurde situations- und altersgerecht umgebaut und er kann sich dort auch mit seinem Rollstuhl fortbewegen. Außerdem ist im Haus auch ein Lift vorhanden.
Zum Essen, Anziehen und Waschen benötigt Herr Müller tägliche Unterstützung, außerdem muss ihm auch beim Toilettengang geholfen werden. Herr Müller kann seinen Alltag also ohne fremde Hilfe nicht bewältigen.
Zusätzlich dazu übt er mit einem Logopäden, der bei ihm vorbeikommt, einmal wöchentlich das Sprechen, um dieses mithilfe von gezielten Übungen wieder zu verbessern.
Der Gutachter vergibt für Herrn Müller insgesamt 77 Punkte, wodurch ihm auch der Pflegegrad 4 zusteht.
Pflegegrad 4 und zeitlicher Aufwand
Seit der Pflegereform im Jahr 2017 spielt der zeitliche Aufwand bei der Anerkennung eines Pflegegrades keine Rolle mehr. Trotzdem sollte man diesen in einem Pflegetagebuch festhalten.
Wer einen Angehörigen zuhause pflegen möchte, sollte sich dessen bewusst sein, dass sich der zeitliche Aufwand in bestimmten Situationen erhöhen kann, wobei vor allem folgende Bereiche davon betroffen sind:
- Körperpflege: Rasieren, Gesichtspflege, Kämmen, Mund- und Zahnhygiene, Waschen bzw. Duschen
- Ernährung: Zubereiten von Mahlzeiten bzw. Nahrungsaufnahme
- Blasen- und Darmentleerung: Stuhlgang, Wasserlassen und anschließendes Richten der Kleidung
- Mobilität: Morgendliches Aufstehen und abendliches Zubettgehen, An- bzw. Umkleiden, Treppensteigen
Der zeitliche Aufwand gestaltet sich dabei sehr unterschiedlich und ist vom individuellen Zustand des Betroffenen abhängig. Wichtig ist es vor allem, dem Hilfsbedürftigen auch genügend Zeit für die einzelnen Tätigkeiten zu lassen, die von ihm noch selbständig ausgeführt werden können.
Änderungen seit dem Jahr 2017
Für Versicherte, die bereits als pflegebedürftig galten, hat sich seit der Pflegereform im Jahr 2017 nichts verändert. Sie konnten vom sogenannten Bestandsschutz profitieren und haben dadurch die Garantie, dass die Leistungen weiterhin gleichbleiben.
Zudem mussten bereits Pflegebedürftige auch keinen neuen Antrag stellen und wurden auch nicht erneut begutachtet. Im Januar 2017 erhielten jene Personen einen Pflegegrad 4, die zuvor in Pflegestufe 2 bzw. 3 eingestuft waren.
Falls du selbst verantwortlich für die Pflege eines Angehörigen bist, können wir dir außerdem die folgende Lektüre empfehlen: "Pflege zu Hause: Was Angehörige wissen müssen".